Superuhr

September 24, 2023 § Hinterlasse einen Kommentar


Diese beiden Uhren sind sechzig Jahre alt, sie sind schon ein wenig angeschlagen. Links ist eine Eterna, rechts eine Omega. Zwei schweizer Uhrenfirmen, die sich lateinische und griechische Namen gegeben haben und einmal zu den besten schweizer Firmen zählten. Beide Firmen waren lange inhabergeführte Firmen. Der letzte Besitzer der Firma Eterna war Dr Rudolf Schild-Comtesse, ein Enkel des Firmengründers Urs Schild; heute gehört die Firma chinesischen Investoren. Die Firma Omega wurde von Louis Brandt gegründet und trug lange den Namen Omega Louis Brandt & Frère, sie gehört heute zur Swatch Group. Diese beiden Uhren sind die von Sammlern gesuchtesten Modelle der beiden Firmen.

Und mit Sammlern meine ich echte Uhrensammler, also Leute, die keine Rolex anrühren würden. Außer vielleicht diese Rolex Fälschung, die das Werk eines Herstellers mit Humor ist. Auf dem Zifferblatt können wir Relax statt Rolex lesen, und von dem Krönchen bricht auch schon eine Zacke ab. Und uns wird versichert, dass diese Taucheruhr bis zu einer Tiefe von neunzig Zentimetern wasserdicht ist. In ihr tickt, wie in allen Seiko Mod Uhren, ein japanisches Automatikwerk, das bestimmt genauso lange hält, wie das Werk einer Rolex. Trotz aller wunderbar komischen Angaben auf dem Zifferblatt, ist diese Relax eine Taucheruhr, so, wie die Rolex Submariner (die meistgeklonte Uhr der Welt) eine Taucheruhr war. Das waren die beiden Uhren im  ersten Absatz auch gewesen.

Tauchen ist nicht mein Ding. Als wir klein waren und auf dem Schönebecker Sand oder dem Vegesacker Strand (hier im Bild) in der Weser badeten, tauchten wir mal für zwei Minuten  unten, wenn ein großes Schiff, so ein Heinduckdie, vorbeikam. Man muss die Schrauben eines Schiffes unter Wasser mal gehört haben, ein seltsamer Klang. Obgleich an den Stränden die ersten Leute mit Taucherbrille und Schwimmflossen auftauchten, interessierte mich die Unterwasserwelt nicht. Dann gewann ich bei einem Aufsatzwettbewerb meiner Schule, den der Buchhändler Conrad Claus Otto veranstaltet hatte, den ersten Preis. Und das war ein Buch von Hans Hass. Der hatte, ebenso wie sein Kollege Jacques Cousteau, gerade Konjunktur auf dem Buchmarkt. Conrad Claus Otto dachte, er hätte mir mit dem Bestseller eine Freude gemacht, dem war aber nicht so. 

Die größte Tiefe, die ich beim Tauchen erreichte, waren die vier Meter im Bremer Zentrabad (neben dem Haus des Reichs) unter den Sprungtürmen. Ich hatte gerade mein Fahrtenschwimmen bestanden, kletterte aus dem Becken, als der Sportlehrer Ludwig Sundermeier ein Schlüsselbund ins Wasser schmiss und sagte: Hol’s wieder rauf. Jahre später habe ich eine halbe Stunde im Zwischenahner Meer getaucht, weil mir der Marlspieker von Kapitän Hugo Gottsmann über Bord gefallen war. Ich hätte natürlich bei Meyerdiercks in der Hafenstraße einen neuen kaufen können. Aber das ging nicht, eine Legende der Segelschiffahrt wie Hugo Gottsmann musste ihren alten Marlspieker wiederhaben. Ich habe ihn in dem trüben Wasser nach einer halben Stunde auf dem schlammigen Seeboden gefunden. Mehr kann ich zum Thema Tauchen nicht sagen. Es ist mir klar, dass ich nicht unbedingt dafür prädestiniert bin, über Taucheruhren zu schreiben.

Ich tue es trotzdem mal. Habe das auch schon getan, als ich über die berühmte Doxa 300 Sub oder meine Zodiac Sea Wolf schrieb. Ich schreibe heute mal über die linke Uhr im obersten Absatz, eine Eternamatic Super KonTiki. Die ist natürlich benannt nach dem Floß, mit dem Thor Heyerdahl über den Pazifik segelte, die Firma Eterna war damals dabei. Weil Heyerdahl den Dr Schild-Comtesse kannte und ihn gefragt hatte, ob er ein halbes Dutzend garantiert wasserdichter Armbanduhren bekommen könnte. Die bekam er. Unentgeltlich. Leider ist keine dieser Uhren erhalten. Man vernutet, dass es Automatikuhren (noch die mit der Hammerautomatik) gewsen sind. Man wollte den Männern das tägliche Aufziehen mit nassen und klammen Fingern ersparen. 

Der Eterna Chef Rudolf Schild-Comtesse war einer der mächtigsten Männer in der schweizer Uhrenindustrie. Also, bevor Nicolas Hayek kam, der der Schweiz die Swatch bescherte. Über Schild-Comtesse hat seine Enkelin Bettina Hahnloser die hochintereressante Biographie Der Uhrenpatron und das Ende einer Ära: Rudolf Schild-Comtesse, Eterna und ETA und die schweizerische Uhrenindustriegeschrieben. Hier finden sich unveröffentlichte Dokumente aus dem Familienbesitz, aber auch einiges, was die Autorin von Adolf Richard Schild, dem Enkel des ASSA Gründers erfahren hat. Man erfährt selten soviel über die schweizer Uhrenindustrie wie in diesem Buch aus dem Verlag der Neuen Zürcher.

Die Firma Eterna dachte sich, man könnte den großen Erfolg von Heyerdahl, dessen Buch Kon-Tiki: Ein Floß treibt über den Pazifik ja Millionen von Lesern gefunden hatte, auch ein klein wenig vermarkten. Und brachte Ende der fünfziger Jahre eine Sportuhr mit dem Namen KonTiki heraus. Die hat hier schon einen schönen Post, der viele Leser gefunden hat. Die Uhr war wasserdicht, sie hatte die Referenznummer 130 TT, das TT stand bei der Eterna für ein super-wasserdichtes Gehäuse. Aber die KonTiki war keine Taucheruhr, die kam wenige Jahre später, war zwei Millimeter größer und hieß dann Super KonTiki.

Es gab sie auch mit dem Stahlband der Firma Gay Fréres, das auch schon an der Kontiki gewesen war; und es gab die Uhr mit unterschiedlichen Zifferblättern. Zuerst waren die Uhren mit 38 mm nur ein klein wenig größer als die KonTiki gewesen, ab dem dritten Modell legte man die Größe mit 40 mm fest. Wenn Sie alles, aber wirklich alles über dieses Modell wissen wollen, dann klicken Sie diese Seite an. Was da allerdings nicht steht, ist die Tatsache, dass diese Uhr sehr selten geworden ist. Und damit meine ich nicht, dass es Jahrzehnte später Neuauflagen des Modells gegeben hat. Auch die chinesischen Besitzer haben eine Super KonTiki im Programm. Nein, ich meine die Super KonTikis aus den frühen sechziger Jahren. Damals hatte mein Vater eine Eterna, ich eine Junghans mit Nylon Armband, das jede Woche gewaschen wurde. Aber jetzt, sechzig Jahre später, besitze ich eine Super KonTiki.

Natürlich hat die Super KonTiki die kleine Plakette aus 18-karätigem Gold mit dem Floß von Thor Heyerdahl auf dem Boden. Die ersten Modelle hatten das noch nicht, da war das Floß nur in den Gehäuseboden eingraviert, aber ab Referenznummer 130 PTX war Gold auf dem Boden. Was ich jetzt am Arm habe, während ich diesen Post schreibe, ist meine zehnte Eterna. Da sammelt sich in dreißig Jahren einiges an. Ich habe eine kleine wasserdichte Rechteckuhr aus den dreißiger Jahren und eine Militäruhr mit dem größten Armbanduhrwerk, das die Eterna gebaut hat, dem Kaliber 852. Und, und, und.

Ich wollte mit der Eterna Sammelei eigentlich aufhören, weil ich mir vor Monaten dieses wunderbare Siebzigerjahre Monster gekauft hatte. 38 mm groß, hat jetzt ein weißes Krokoband der Firma Cornelius Kaufmann. Ich habe da in einer Schublade eine kleine Schachtel mit Uhren, die aussehen wie Miniatur Fernsehgeräte. Diese kleinen Klötze fand man ja in den siebziger Jahren, dem Jahrzehnt ohne jeden Geschmack (the decade that taste forgot) eine große Sache. Diese Eternamatic 1000 Concept 80, sollte die letzte sein. Zumal ich mir Weihnachten noch eine Centenaire gekauft hatte. Ich hatte zwar schon eine, aber diese war viel schöner als die andere mit dem versifften Zifferblatt. Doch dann kam der Barnie, der sonntags auf einem Flohmarkt eine Uhr gefunden hatte, die er nicht einordnen konnte.

Und das würde wohl niemand auf den ersten Blick können. Denn bei dieser Uhr steht das Super Kontiki nicht auf dem Zifferblatt. Nichts davon. Da steht nur Eternamatic und die fünf Kügelchen, die zum Markenzeichen der Firma geworden sind. Weil der Chefkonstrukteur →Heinrich Stamm (firmenintern nur Daniel Düsentrieb genannt) die Eternamatic erfunden hatte. Eine Automatikuhr, bei der der Rotor in einem Kugellager mit fünf winzig kleinen Kugeln gelagert wird (30.000 von ihnen würden in einen Fingerhut passen). Es ist eine der größten Erfindungen in der Geschichte der Uhr. Beinahe 95 Prozent aller schweizer Automatikuhren, die heute gebaut werden, basieren auf dem Eterna Automatikwerk von Heinrich Stamm.

Man muss die Uhr ohne Modellnamen auf dem schwarzen Zifferblatt , die der Barnie gefunden hatte, schon aufschrauben; dann kann man die Referenznummer 130 PTX/3 lesen, die die Uhr einwandfrei als Super Kontiki identifiziert. Die kleine Goldplakette auf dem Gehäuseboden tut das ihre dazu. Aber warum hat sie keinen Modellnamen auf dem Zifferblatt? Ich weiß es wirklich nicht, vielleicht ist dies die einzige Super KonTiki auf der Welt, die so aussieht. Jetzt, wo sie mir gehört, könnte ich mir natürlich bei Bethge ein neues Zifferblatt drucken lassen, aber die Uhr bleibt so original wie sie ist. 

Die Lünette ist ein bisschen abgeschrabbelt, doch das gehört dazu. Der Barnie, der schon x-mal in diesem Blog erwähnt worden ist, hat mir die Uhr zu einem Freundschaftspreis verkauft. Weil er weiß, dass ich Eterna Sammler bin. Die Uhr sieht jetzt besser aus als auf diesem mit Makromodus gemachten Photo. Das Unglaublichste an diesem unglaublichen Uhrenfund ist die Sache, dass die Uhr nach sechzig Jahren chronometergenau geht. Aber dafür waren die Uhren aus der Präzisionsuhrenfabrik in Grenchen ja mal bekannt. Der Barnie hat das Gehäuse softpoliert; der Uhrmacher Petersen hat neue Leuchtmasse in die Zeiger gefüllt. Ich habe ein braunes Lederband an die Uhr gemacht. Hatte probeweise ein schönes altes Edelstahlband von Tissot dran, das millimetergenau passte, aber da sah mir die Uhr doch zu sehr nach Taucheruhr aus. So wie sie jetzt ist, weiß niemand, was das ist, was ich da am Arm habe. So soll es sein.

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